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In der frühen Neuzeit waren Depressionen ein Tabu. Im Historienfilm „Des Teufels Bad“ zeigt sich das Grauen in gesellschaftlichen Zwängen.
Von Tobias Obermeier
Oberösterreich, 1750. Eine Frau steht am Rande eines imposanten Wasserfalls in den Ausläufern der Alpen. In ihren Armen wiegt und streichelt sie fürsorglich ein schreiendes Baby. Ein kurzes Innehalten, ehe sie das Kind in die tosenden Wassermassen hinunterwirft. Mit einem Kreuzzeichen besiegelt sie den begangenen Kindesmord.
Es sind grauenhafte und kaum bekannte Gerichtsprotokolle, auf denen „Des Teufels Bad“, der neue Film des österreichischen Regie-Duos Veronika Franz und Severin Fiala, beruht. In der frühen Neuzeit des 18. Jahrhunderts gab es vor allem im deutschsprachigen Raum zahlreiche Fälle dessen, was zur damaligen Zeit als mittelbarer Selbstmord bezeichnet wurde.
Um der ewigen Verdammnis durch einen direkten Selbstmord zu entgehen, griffen verzweifelte Menschen zu drastischen Mitteln: Sie evozierten durch einen Mord ihre eigene Hinrichtung. Ein Großteil der 400 dokumentierten Fälle betraf Frauen. Die Opfer waren meist Kinder, da ihre Seelen als rein galten und ihnen so ein Eintritt in das Himmelreich nachgesagt wurde.
Jene Frau, die im Prolog das Kind in den Tod wirft, beging einen solchen mittelbaren Selbstmord. Ihr enthaupteter Körper und der dazugehörige Kopf werden als gottesfürchtiges Mahnmal auf einem Waldhügel ausgestellt.
Der Film
„Des Teufels Bad“. Regie: Veronika Franz und Severin Fiala. Mit Anja Plaschg, u. a. Österreich 2024, 121 Min.
Einer der abgeschnittenen Finger landet wenig später unter dem Ehebett von Agnes (Anja Plaschg). Der Bruder hat ihn ihr zur Hochzeit geschenkt – als Glücksbringer für ihren sehnlichen Kinderwunsch. Der bleiche, verwesende Finger wirkt jedoch mehr wie der Vorbote einer hereinbrechenden Katastrophe.
Harsche Realität des Alltags
Das neue Leben von Agnes, getrennt von Mutter und Bruder, wird nach der ausgelassenen Hochzeit jäh von der harschen Realität des Alltags eingeholt. Denn das täglich Brot erfordert beschwerliche Verrichtungen. Ihr Ehemann Wolf (David Scheid) zeigt abends, nach getanem Tagwerk als Karpfenfischer, kaum ein sexuelles Interesse an ihr.
Die strenge Schwiegermutter (Maria Hofstätter), die in ihrem neuen Zuhause ein und aus geht, macht ihr das Leben nicht leichter. Über dem dunklen und kargen Steinhaus am Waldrand hängt eine tiefe Schwermut, die Agnes langsam ins Straucheln geraten lässt.
Veronika Franz und Severin Fiala sind mit „Ich seh, Ich seh“ (2014) oder „The Lodge“ (2019) bekannt für ihre düsteren und nuancierten Genrewerke. Ihr neuester Film „Des Teufels Bad“ reiht sich nahtlos ein und verlangt dem Publikum einiges ab. Das historische Setting ist dabei keineswegs nur eine folkloristische Staffage für den einsetzenden Horror.
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Das Grauen zeigt sich auch in den gesellschaftlichen Bedingungen und Zwängen jener Zeit. Für Menschen abseits der Norm gab es keinerlei Verständnis oder Akzeptanz.
Gefühlskalte Bauernwelt
So findet die tiefreligiöse, sensible und naturverbundene Agnes in dieser gefühlskalten und von Entbehrungen gezeichneten Bauernwelt keinen Platz. Anstatt sich als ehrbare und fleißige Ehefrau zu fügen, streift sie lieber durch den Wald und sammelt tote Insekten, die sie wie kleine Kostbarkeiten aufbewahrt.
Ihr Unvermögen, sich den Erwartungen der Mitmenschen zu fügen, manifestiert sich in einer schweren psychischen Erkrankung. Als Bad des Teufels wurde zu jener Zeit das beschrieben, was heutzutage als Depression gilt. Etwas, das in einer Gesellschaft voller religiöser Doktrin und Tabus nicht sein darf. Eine Gewalttat scheint für Agnes bald der einzige Ausweg zu sein.
Es sind vor allem die historischen Details des Films, die ungemein zur dichten und bedrückenden Atmosphäre des Films beitragen. Wie etwa das Vaterunser als verwendete Zeiteinheit beim Kochen. Das Beten ist allgegenwärtig im Film. Oder die mühevolle Handarbeit auf dem Feld, für die die abgemergelten Tagelöhner in ihren zu großen Kleidern mit einer alten Scheibe Brot entlohnt werden.
„Ich wollt weg von der Welt“, wird Agnes am Ende des Films sagen, als sich der Tod ein weiteres Mal über die Gemeinschaft gelegt hat. , spielt den Leidensweg einer der Welt überdrüssigen Frau mit großer Intensität. Sie gibt den Unsichtbaren und längst vergessenen Frauen jener Zeit, gefangen in den untröstlichen Verhältnissen, ein Gesicht der Verzweiflung, das lange in Erinnerung bleibt.
Dem Leiden der Menschen steht die Natur mit großer Gleichgültigkeit gegenüber. Kameramann Martin Gschlacht, der bei der Berlinale den Silbernen Bär für eine herausragende künstlerische Leistung erhielt, fängt die düsteren Waldkulissen, die jegliches Licht zu schlucken scheinen, in beeindruckenden Bildern ein.
Es ist diese existenzielle Urgewalt des Daseins, die den Wäldern innewohnt und die einen gleichermaßen erstaunen und erschaudern lassen. Der tiefe Glaube, den die Menschen hier in sich tragen, wirkt angesichts des Schweigens der Welt wie ein verzweifelter Hilferuf. Dass die Menschen dabei zu ihrem eigenen Teufel werden, zeigt der Film auf erschütternde Weise.
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Themen#Film#Spielfilm#Historienfilm#Depressionen#Religion
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1 Kommentar
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- D
Dromedar:In
Ich habe den Film ja leider noch nicht gesehen, aber ich lese aus der Rezension heraus, dass sich der Film leider, wie so viele andere auch rein auf die dramaturgisch dunklen Seiten der Epoche fokussiert.
Für eine Erzählung über das Böse sicherlich in Ordnung, aber mich stört die einseitige Fokussierung vieler historischen Filme über die vergangenen Epochen auf die negativen Seiten der damaligen Gesellschaft. So wird ein einseitiges Bild in den Zuschauern erzeugt, was sicherlich zum Gruseln und zur moralischen Überheblichkeit taugt, aber nicht die Lebenswirklichkeit widerspiegelt, die genauso von Liebe Freundschaft und Fürsorge geprägt sein dürfte wie alle Epochen. Weil wir in einer anscheinend versorgten, konsequenzlosen Zeit leben, fällt es uns schwer Menschen und Entscheidungen zu verstehen, die in einer Zeit lebten wo Entscheidungen wirkliche Konsequenzen für das eigene und das Leben der Mitmenschen hatte.
Die frühe Neuzeit auf 1750 zu datieren dürfte manchen Historiker auch erstaunen.
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