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Des Teufels Bad
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
4,0
stark
Des Teufels Bad
Selbstmord durch Mord
Von Christoph Petersen
Eine Frau klopft an das Burgtor und erklärt völlig emotionslos: „Ich habe etwas zu gestehen.“ In der nächsten Szene werden ihr die Finger einzeln mit einem Fleischermesser abgetrennt. Ihr abgeschlagener Kopf liegt in einem Käfig in der Nähe, aus einem ihrer Augen krabbelt eine Made. Ihr Verbrechen: Sie hat kurz zuvor ein Baby einen Wasserfall heruntergeschmissen. Das historische Psycho-Drama „Des Teufels Bad“ von Severin Fiala und Veronika Franz startet mehr als schockierend – und das, obwohl das österreichische Regieduo vor der Premiere im Berlinale-Wettbewerb bereits erklärt hatte, dass ihr dritter Spielfilm nach der Arthouse-Horror-Sensation „Ich seh, ich seh“ und ihrem englischsprachigen Debüt „The Lodge“ erstmals kein Genrefilm sein wird.
Basierend auf historischen Gerichtsakten, fasst der Film einen deutschen und einen österreichischen Kriminalfall zu einer Geschichte zusammen – und es ist eine durchaus bittere Ironie, dass „Des Teufels Bad“ ausgerechnet 1750 und damit im letzten Jahr der Epoche der (vermeintlichen) Aufklärung spielt: Agnes (Anja Plaschg) hat sich ihre Ehe mit Wolf (David Scheid) sicherlich anders vorgestellt. Zwar hat sie, wie es sich offenbar gehört, vor der Hochzeitsnacht extra einen abgetrennten menschlichen Finger unter die Matratze geschoben. Aber ihr Mann verweigert ohne weitere Erklärung dennoch den Beischlaf mit ihr – und das, obwohl sie selbst genauso wie ihre unnachgiebige Schwiegermutter (Maria Hofstätter) es doch als Agnes‘ höchste Aufgabe sehen, möglichst schnell ein Kind zu bekommen.
Die Welt von „Des Teufels Bad“ ist deformiert, hässlich, eitrig, kalt, nass, unwirtlich, menschen- und noch mehr frauenfeindlich. Dass sich Agnes in ihrem neuen Zuhause alles andere als wohlfühlt, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Schon beim Hochzeitsfest wird eine Variante von Blinde Kuh gespielt, bei der die Teilnehmenden mit verbundenen Augen den herausschauenden Kopf eines eingegrabenen Huhns mit einem Flegel treffen müssen. Im nahegelegenen Teich sind schon viele ertrunken, als sie im Schlamm nach Karpfen gesucht haben – und wenn sie sich ein paar Blumen ins Haus stellt oder auch nur ein paar Minuten zu spät mit der Zubereitung des Abendessens beginnt, hat sie sofort ihre Schwiegermutter im Nacken.
Apropos Kochen: In den Suppenrezepten geht es weniger um die verwendeten Zutaten, sondern vielmehr darum, wie viele Gebete während der Zubereitung aufgesagt werden müssen – und eine Hausbesichtigung im Jahr 1750 hat auch so ihre Eigenheiten: Südwestliche Fenster standen damals jedenfalls noch nicht auf Platz 1 der Must-Haves. Aber solche amüsanten Beobachtungen sind eine seltene Erleichterung, insgesamt ist „Des Teufels Bad“ absolut unbarmherzig und intensiv bei seinem Zusteuern auf die (erlösende) Katastrophe: Agnes wird depressiv, schluckt heimlich Rattengift und bekommt schließlich als „Heilungsmethode“ im Nacken einen Faden durch die Haut gestochen, an dem sie immer wieder ziehen soll, um die Wunde offenzuhalten und so das Gift herauszulassen (am Ende ist natürlich außer Eiter nichts gewesen).
Immer wieder rückt die Kamera die Karpfenköpfe ins Bild – mit ihren selbst im Tod noch immer so weit aufgerissenen Mündern, als würden sie über all diese Schlechtigkeit und Hässlichkeit aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen. Aber was tun, wenn man es gar nicht mehr aushält? Selbstmord ist laut des örtlichen Pfarrers schließlich noch viel, viel schlimmer als Mord: Mörder*innen kann vor der Hinrichtung noch vergeben werden, während die Seelen von Selbstmörder*innen für immer im Fegefeuer schmoren! Und wenn man diese Predigt mal ganz „rational“ logisch zu Ende denkt, dann kommt man nur allzu leicht auf dumme Ideen. So liefert „Des Teufels Bad“ zum Schluss noch einen der härtesten Niederschläge, die man sich im Kino überhaupt vorstellen kann – mit einer Szene, in der man sich regelrecht wünscht, dass der kleine Junge seine Rolle doch bloß nicht so glaubhaft und authentisch spielen würde.
Ein ähnlich nachhallendes Ereignis ist auch das Spiel von Anja Plaschg, die man sonst vor allem unter ihrem Künstlerinnennamen Soap&Skin als Sängerin und Komponistin kennt. Wenn Agnes von der (patriarchalen) Welt auch ohne Schläge niedergeknüppelt wird, ist ihre Transformation von der hoffnungsvollen Neu-Ehefrau hin zur Rattengift wie Koks schleckenden Selbstmordkandidatin so nachvollziehbar wie niederschmetternd. Aber selbst das ist noch nichts im Vergleich zu ihrer finalen Beichte, die jetzt schon einen Platz als einer der Schauspielmomente des Kinojahres sicher hat. Man mag beim Schauen von „Des Teufels Bad“ (endgültig) seinen Glauben an die Menschheit verlieren, aber diese Performance ist wahrhaftig über jeden Zweifel erhaben.
Fazit: Das „Ich seh, ich seh“-Regieduo Severin Fiala & Veronika Franz misch niederschmetterndes Depressions-Drama und horrorhafte Mittelalter-Ikonografie zu einem hammerharten Brett von einem Film.
Wir haben „Des Teufels Bad“ im Rahmen der Berlinale 2024 gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.
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